Die zahlreichen Masken an den Häuserfassaden von Trient werden in diesem Band nicht zufällig anhand eines Rundganges durch die Stadt präsentiert. Nur so lässt sich Besuchern ein möglichst umfassender Überblick zu deren Verbreitung im Stadtbild vermitteln. Wie Eriberto Eulisse in seinem Beitrag anmerkt, handelt es sich bei Masken um architektonische Dekorelemente mit langer Tradition. Bereits Jurgis Baltrušaitis hat aufgezeigt, wie Fabelwesen seit jeher in der Bildhauerei, der Malerei und der Sphragistik verankert waren. Sie sind ureigenster Ausdruck jener menschlichen Vorstellungswelt, die stets aufs Neue Mischwesen wie Greife, doppelköpfige Tiergestalten, Ziegen mit menschlichen Zügen und ähnliches zu erschaffen wusste. Beginnen wir unseren chronologischen Überblick mit den grob gearbeiteten Tier- und Menschenköpfen des 13. Jhs. (sofern es sich nicht um Nachbildungen des 19.
Gemeinsame Kastelruth Kirche St. Oswald
Jhs. handelt) an den steinernen Bögen der dem Trienter Dom zugewandten Häuserfassaden: grobschlächtige, ausdruckslose Gesichter, die dem Betrachter stumm entgegenstarren. Um im Trentino erneut auf Masken und Fabelwesen zu stoßen, müssen wir uns der Architektur des 16. Jhs. zuwenden. Dabei treffen wir auf Masken, die dem aufflammenden Interesse an der Antike seit dem ausgehenden 15. Jh. entspringen. Ganz Europa wird in der Folge von der Mode des "Grotesken" überflutet. Im Trentino zeigt sich dieser Trend zunächst an der Kirche S. Maria Maggiore (1520) und später am bedeutendsten Renaissancebauwerk, dem Castello del Buonconsiglio. Maler, Bildhauer, Stuckateure und Feinschmiede verzieren dessen Hauptpalas (1527-1536) mit unterschiedlichsten Beispielen dieser neuen künstlerischen Ausdrucksform. Sowohl am Seitenportal der Kirche S. Maria Maggiore als auch an den von Gerolamo Romanino gefertigten Fresken in der Loggia des Buonconsiglio finden sich Flechtwerkranken nach antiken Vorbildern, denen Gesichter entwachsen. In der Sala del Camino Nero bringen Mantovaner Stuckateure Harpyien, Vierfüßler mit Vögel- oder Menschenköpfen und Fratzen an.
Dem Künstler, der im ausgehenden 16. Jh. das monumentale Holzportal (pag. 71) des Palazzo Fugger-Galasso mit den höhnischen Grimassen von Faunen und den heiteren Gesichtern eines Mannes und einer Frau verzierte, dürften zweifelsohne die Darstellungen der grotesken Masken bekannt gewesen sein, die mittels der von Giulio Romano und Adamo Scultori gefertigen Stiche weite Verbreitung fanden. Von solchen Vorbildern scheint auch jener Alberti inspiriert gewesen sein, der die wundervollen Gewölbestucke mit bestialischen Fratzen der Giunta Albertiana im Castello del Buonconsiglio fertigte (1686).
Mit den Darstellungen am Portal des Palazzo Fugger-Galasso scheint in Trient jedenfalls jene Epoche ihren Anfang zu nehmen, die im 17. Jh. ihren Höhepunkt erreicht, als es allgemein üblich wurde, die Fassaden der Stadthäuser mit apotropäischen Masken nach antiken Vorbildern zu schmücken. Dieser Zeit gehören die Fratzen der Bogenschlusssteine am Palazzo Garavaglia an.
Ala - XXVII Mai Strasse
In der zweiten Hälfte des 17. Jhs. erscheinen auf den Fassaden zahlreicher Stadthäuser und Palazzi des Umlandes bärtige Gesichter, die wohl von den Fratzen dieser Schlusssteine inspiriert sind. Dazu zählen die Darstellungen an der Villa de Mersi und am Palazzo Malfatti.
Die Fratzen ahmen bekanntere Vorbilder nach, wie etwa die Atlanten, die die Balkone des Palazzo Sardagna stützen. Am Palazzo Sardagna zeigt sich außerdem, dass auch die Werksteine der Rustikafenster als Dekorträger genutzt werden.
Das mit dem Palazzo Sardagna stilistisch vergleichbare Trautmannsdorf trägt eine ganze Reihe von Fratzen mit teils bedrohlichem, teils ernstem, höhnischem oder grimassenhaftem Gesichtsausdruck Dasselbe gilt für den bereits erwähnten Palazzo Malfatti.
Am Palazzo Bortolazzi findet sich hingegen an einem Schlussstein eine Fratze (pag. 76), die jenen vom Palazzo Fugger-Galasso ähnelt, während eine weitere Maske einen Philosophen darzustellen scheint. Als im Laufe des 18. Jh. der Rustikastil seinen Ausklang findet, werden die Darstellungen immer einfacher und die Fratzen immer seltener bis sie zur Gänze verschwinden.
Anderer Art und beinahe wie engelsgleiche Knabengesichter wirken hingegen die kleinen Stuckmasken des Domenico Quaglio (1754) im Repräsentationssaal der Villa Mersi.
Ein bedeutendes Beispiel bildhauerischen Dekors antiker Prägung des 19. Jhs. stellt das hölzerne Tor der Torre Conci dar (pag. 78). Als Vorbild dienten zweifellos die zwischen 1583-1585 an den Decken im Palazzo Lodron angebrachten Groteskenmalereien. Harpyien, Faune, prall mit Blumen und Obst gefüllte Vasen vereinen sich mit Masken antiker Tradition und gesellen sich zu obzönen Fratzen lombardischer oder piemonteser Prägung.
Während der jüngsten Restaurierungen im Palazzo Geremia (Ende 15. Jh.) in der Via Belenzani, wurde eine Balkendecke aus der zweiten Hälfte des 19. Jhs. entfernt. Die Balkenenden bestehen jeweils aus 90 monströsen Protomen. Ich glaube nicht, dass es im östlichen Alpenraum vergleichbare Darstellungen zu diesen drôleries gibt. Es scheint, als ließen sich diese neugotischen Plastiken mit solchen aus der zweiten Hälfte des 15. Jhs. vergleichen, die in den Westalpen nördlich von Aosta im Schloss Sarriod de la Tour zu finden sind. Auch das Flachrelief, des Holztores der Torre Conci scheint sich an Vorbilder aus den Westalpen zu orientieren und findet einen Vergleich in den obszönen Fratzen, die die Chorstühle des 15. Jhs. im Dom von Aosta zieren. Abgesehen davon beschert uns das 19. Jh. mit seinem gotischen Revival in Trient nur mehr vereinzelte plastische Fratzendarstellungen.
Michelangelo Lupo